Abstraktionen von Anfängern oder Profis gemalt worden sind. Es ist nicht wahr, dass ein abstraktes Bild z.B. von Paul Klee auch von jedem anderen gemalt werden kann, wenn er nur den Mut dazu aufbrächte oder seine Fantasie genügend aktivieren würde. Auch wenn das Bildwerk dann bei oberflächlicher Betrachtung wie ein Klee aussähe, die gesamte Pinselführung würde verkrampft, die Malerei gekünstelt wirken. Auch ein Klee hat mit realistischer Malerei angefangen und sich dann allmählich bis zur Abstraktion vorgearbeitet. Wenn der Maler reif dazu ist, kommt die Abstraktion eigentlich von allein. Man soll und braucht sie nicht zu erzwingen. Wenn man z. B. ein Motiv immer wieder malt, malt man automatisch nur noch das Wesentliche, lässt weg, fügt hinzu und greift zu Farben, die für das gewählte Motiv charakteristisch sind. Die Abstraktion kann so weit gehen, dass die oben beschriebene Winterlandschaft nur noch durch mehrere farbige Quadrate dargestellt werden kann. Und je nach Maler, Stimmung und innerer Einstellung kann das Ergebnis jedes Mal ein anderes sein. Würde ein Maler all die Vorstufen seiner Studien überspringen und mit der extremen Abstraktion einer Winterlandschaft als quadratische Farbflächen beginnen, so würde dies selbst ungeschulte Betrachter eines solchen Bildes erkennen. Sie ahnen, dass sich der Maler mit dem Wesen einer Winterlandschaft vorher nicht genügend auseinandergesetzt hat. Sie merken, dass mit der Abstimmung der Farben zueinander etwas nicht stimmt. Sie merken, dass mit der Größe und Anordnung der Formen etwas nicht stimmt. Niemand kann so richtig erklären, was mit dem Bild los ist, aber hängt man es neben den anderen auf, so können auch Laien zwischen guten und schlechten Bildern unterscheiden. Auf Motive, die man liebt, stürzt man sich mit seiner ganzen Kraft und kann in der
Regel mit dem Ergebnis auch zufriedener sein. Meistens sind es nicht nur die Motive, die man liebt, sondern es ist auch die innere Verbundenheit und Zuneigung, z. B. zu Ländern und den Lebensformen der Menschen dort. Ich habe an mir selbst die Beobachtung während einer Ägyptenreise gemacht. Ich hatte schon vor der Reise eine positive innere Einstellung zu diesem Land und seinen Menschen, die irgendwie durch Filme und Bücher gereift war. Natürlich entsprach dieses Bild auch meiner inneren Vorstellung von einem einfachen Leben zufriedener Menschen in Natur belassener Umgebung. Dass eine solche Traumvorstellung wegen unserer allzu technisierten, bürokratisierten Gesellschaft in Deutschland bei mir auf fruchtbaren Boden gefallen war, ist kaum verwunderlich. In Wirklichkeit muss ein Teil der dort lebenden Nubier noch in tiefer Armut leben, das weiß ich heute. Damals war mir jedoch allein der positive Gedanke wichtig, so fuhr ich voller Enthusiasmus nach Ägypten und malte wie in Trance. Die Bilder gelangen mir relativ gut, weil ich das Land und die Menschen dort tatsächlich liebenswert vorfand. Dennoch kam ich um die Arbeitsphase nicht herum. Erst nach einer Woche intensiven Malens und Skizzierens war ich mit meinen Bildern einigermaßen zufrieden. Und erst eine Woche nach der Reise gelang es mir, abstrahierte Bilder aus dem Gedächtnis zu malen, wie ich es von Anfang an vor gehabt hatte. Ich war an einem Punkt angelangt, ab dem ich hätte endlos malen können und ich fühlte, dass ich immer tiefer in die Welt der Abstraktion fand. Unterbrochen wurde diese Phase durch die Notwendigkeit, wieder den Lebensunterhalt zu verdienen. Und eingefangen in der Arbeitswelt mit ihren ganz spezifischen Anforderungen an das realistische Denken und Handeln wurde ich wieder in den Alltag zurückgeholt.

© Eberhard Malwitz