eine bestimmte Atmosphäre. Auf Kommando oder mit Gewalt läuft gar nichts. Aber wenn es dann klappt, schießt ein unerschöpflicher Strom hervor. Was mich betrifft, ich merke anschließend ganz genau, ob mir ein ehrliches "Inneres Bild" gelungen oder ob ich daran noch mit dem Verstand herumgefummelt habe.

Wie steht es eigentlich mit der Qualität von "Inneren Bildern"? Sie muss nicht automatisch hervorragend sein, bloß, weil es sich um "Innere Bilder" handelt – Gott bewahre. Damit eng verbunden ist die Frage, wie entstehen sie überhaupt? Mit Sicherheit können keine "Inneren Bilder" ohne die Millionen von Einflüssen von außen entstehen. Doch wir sind ausgerüstet mit hervorragenden Filtern. Nur solche Informationen lassen wir passieren, die unserem Ich, also unserer Seele gefallen. Letztlich sind unsere "Inneren Bilder" ein Produkt aller Einflüsse, die ein Leben lang auf uns einwirken aber nicht zuletzt auch ein Spiegel unserer Seele und unseres Charakters.

Zweifellos gibt es auch "Innere Bilder" – auch von professionellen Künstlern – die besser dort blieben, wo sie sind und nicht durch eine geschickte Hand auf eine Leinwand gelangen. Ebenso gibt es aber hervorragende "Innere Bilder", die niemals das Licht der Welt erblicken, weil die Person nicht geschult worden ist, oder ihr niemals bewusst wird, dass sie gute "Innere Bilder" in sich trägt.
Wenn man von Qualität der "Inneren Bilder", die auf einer Leinwand das Licht der Welt erblickt haben, spricht und dadurch bewertbar geworden sind, muss es auch einen bestimmten Maßstab geben mit dem gemessen wird. Da es jedoch keinen einheitlichen Maßstab gibt, wie beispielsweise in der Technik, das Pariser Urmeter, ist für die Klassifizierung noch entscheidender, wer misst. Jeder, der sich in der Kunstszene einigermaßen auskennt, weiß wie schwierig eine Bewertung von Qualität in der Kunst ist. Dennoch dürfte jedem einleuchten, dass das "Innere Bild" unserer Frau Huber kein Qualitätsmaßstab für die Kunstwelt sein kann. Ihr "Inneres Bild" ist natürlich von geringerer Qualität als jenes ihres Sohnes, der nun schon 9 Semester an der Kunstakademie studiert hat. Das trifft jedenfalls aus dem Blickwinkel von Kunstkritikern zu, nicht natürlich aus der Sicht von Frau Huber.

Ich erinnere mich an dieser Stelle an meinen Vater, der immer ein begabter und pfiffiger Bastler war, obwohl er nie einen handwerklichen Beruf erlernt hat. Dennoch gab es kaum eine technische Aufgabe, die er nicht irgendwie gelöst hatte. Trotzdem haftete seinen Basteleien oft etwas Dilettantisches an – was er nicht merkte, aber ich, nachdem ich mein Ingenieurstudium abgeschlossen hatte.

Wenn auch der Sohn von Frau Huber an der Akademie auf vorhandene Gleise gesetzt wurde, so sind seine Sensoren hoch sensibilisiert worden. Er kann inzwischen auf ein großes Repertoire von Wissen zurückgreifen und hatte genügend Zeit, sein "Inneres Bild" vom Mann mit der Pfeife zu modifizieren oder sogar durch eines aus der aktuellen Kunstszene zu ersetzen. Genau genommen blieb ihm gar nichts anderes übrig. Dennoch wird auch das Leben auf dem Bauernhof seiner Eltern immer sein "Inneres Bild" mitprägen.

Beim Schreiben habe ich mich gefragt, was ich hier eigentlich mache? Auch ich versuche nicht mehr und nicht weniger, als einer imaginären Leserschaft meine innere Vorstellung von Kunst, also mein persönliches "Inneres Bild", darzulegen. Ich bin genauso überzeugt davon, wie alle anderen, dass nur mein eigenes "Inneres Bild" das einzige Richtige ist und deswegen möchte ich möglichst viele davon überzeugen. Ob es wirklich richtig ist, werde ich wohl niemals erfahren, aber es ist mir eine Genugtuung zu wissen, dass es wenigstens ehrlich ist.

© Eberhard Malwitz